Die Existenz eines vorab geschürften Angebots (wie im Fall von XRP, wo 100 % der Münzen von Anfang an erstellt und von Ripple Labs verteilt wurden) hat direkte und erhebliche Auswirkungen auf die Dezentralisierung einer Kryptowährung. So geht's:
1. Anfängliche Konzentration des Angebots
Problem: Bei vorab geschürften Projekten wie XRP kontrolliert zunächst eine Entität (in diesem Fall Ripple Labs) die Mehrheit der Coins. Ripple hält derzeit etwa 40–50 % des gesamten XRP-Angebots (etwa 40–50 Milliarden Token), die auf vom Unternehmen verwalteten Konten gespeichert sind.
Auswirkungen auf die Dezentralisierung: Dadurch wird die Wirtschafts- und Regierungsmacht in den Händen von Ripple zentralisiert, da das Unternehmen den Markt durch die Ausgabe von Token entsprechend seiner Agenda beeinflussen kann. Bei Bitcoin hingegen werden die Coins schrittweise durch Mining verteilt, ohne zentrale Kontrolle.
2. Netzwerksteuerung und Entscheidungsfindung
XRP: Das XRP-Konsensprotokoll verwendet kein Mining, sondern ein System „vertrauenswürdiger“ Validierer. Zwar kann jeder ein Validierer sein, Ripple empfiehlt jedoch eine Liste zugelassener Validierer, von denen viele mit dem Unternehmen verbunden sind. Dadurch wird die Kraft der Validierung konzentriert.
Bitcoin: Das Netzwerk basiert auf Tausenden unabhängigen, weltweit verteilten Minern und Knoten. Keine einzelne Entität kontrolliert das Netzwerk und Entscheidungen werden im Konsens der Community getroffen (wenn auch mit praktischen Herausforderungen).
3. Fehlende Anreize für eine verteilte Beteiligung
Vorgemint vs. Mining: In Netzwerken wie Bitcoin konkurrieren Miner um Belohnungen, was eine verteilte Teilnahme unabhängiger Akteure fördert. Da bei XRP kein Mining und keine Neuausgabe von Token stattfindet, existiert dieser Anreizmechanismus nicht. Die Dezentralisierung hängt ausschließlich von der anfänglichen Token-Verteilung ab, die bei XRP stark zentralisiert war.
4. Risiko der Marktmanipulation
XRP-Beispiel: Ripple Labs verkauft regelmäßig XRP aus seinen Reserven, um Betrieb und Partnerschaften zu finanzieren. Dies gibt Anlass zur Sorge über eine mögliche Preismanipulation oder künstliche Inflation des im Umlauf befindlichen Angebots.
Bitcoin: Das im Umlauf befindliche Angebot steigt vorhersehbar an (Halbierung alle 4 Jahre) und kein zentraler Akteur kann neue Münzen auf den Markt bringen.
5. Governance und Updates
XRP: Protokoll-Upgrades werden hauptsächlich von Ripple Labs vorgeschlagen und verwaltet, was eine zentralisierte Verwaltung widerspiegelt. Im Vergleich zu Bitcoin hat die Community weniger Einfluss.
Bitcoin: Änderungen erfordern einen mehrheitlichen Konsens der Miner, Knoten und Benutzer, was einseitige Änderungen erschwert (Beispiel: die Ablehnung von SegWit2x im Jahr 2017).
6. Regulatorische und rechtliche Wahrnehmung
XRP-Fall: Die US-Börsenaufsicht SEC verklagte Ripple im Jahr 2020 mit der Behauptung, XRP sei ein „nicht registriertes Wertpapier“, unter anderem, weil das Unternehmen das Angebot kontrolliere und dessen Nutzung fördere. Dies verstärkt den Gedanken der Zentralisierung.
Bitcoin: Da es weder eine zentrale Einheit noch ein Pre-Mining gibt, wird es in den meisten Rechtsgebieten als „Handelsware“ bzw. dezentrale Währung angesehen.
Fazit: Warum wirkt sich Pre-Mining auf die Dezentralisierung aus?
Pre-Mining schwächt die Dezentralisierung, weil:
Es konzentriert die Wirtschaftsmacht in einer kleinen Einheit oder Gruppe.
Beseitigt gerechte Verteilungsmechanismen (wie etwa Bergbau).
Ermöglicht einen zentralen Einfluss auf die Unternehmensführung und den Markt.
XRP vs. Bitcoin:
XRP priorisiert Effizienz und Geschwindigkeit und opfert dabei die Dezentralisierung.
Bei Bitcoin stehen Zensurresistenz und Sicherheit im Vordergrund, auf Kosten der Skalierbarkeit.
Beide Modelle weisen Vor- und Nachteile auf, aber wenn Dezentralisierung ein Hauptkriterium ist, sind Bitcoin (und Kryptowährungen mit schrittweiser Ausgabe und ohne Vorab-Mining) klar überlegen.

